Dafür wurde in der Klinik auf Station 1 eine eigene Abteilung eingerichtet für bis zu zehn Patienten, die Mitte April ihre Arbeit aufnahm. „Der Aufenthalt unterscheidet sich grundsätzlich nicht von den anderen Stationen“, sagt Thomas Luley, ärztlicher Leiter von „Statamed“, „aber die Philosophie dahinter.“
Ein Unterschied zeigt sich bereits im Weg auf die Station: Der erfolgt aus-schließlich über niedergelassene Ärzte, Pflege- und Seniorenheime sowie Rettungsdienste. Dazu gehört ein strukturiertes Einweisungsgespräch, indem nicht nur die akuten Beschwerden, sondern auch bekannte Erkrankungen thematisiert werden. „Wir können zwar jede Form der Diagnostik machen“, betont Luley, „aber das ist nicht immer auch im Interesse des Patienten.“ Die sollten möglichst schnell wieder zurück in ihre gewohnte Umgebung kommen, deswegen konzentriere man sich auf das akute Problem und verzichte auf unnötige Belastungen. Allerdings: „Das ist keine,Schmalspurmedizin‘“, stellt er klar, „wir können überall hin verlegen, wenn es komplexer wird – wir überlegen nur, ob wir das brauchen.“
Eine weitere Besonderheit ist das Team selbst, denn dazu gehören nicht nur,wie auf den anderen Stationen, Ärzte und Pflegekräfte, sondern auch sogenannte „Flying Nurses“ und Patientenlotsen. „Wir sind von Anfang an mit da-bei“, sagt „Flying Nurse“ Marietta Heise-Linne, „weil wir die Nachbetreuung übernehmen.“ Die kann sich über bis zu vier Wochen erstrecken mit bis zu drei Besuchen pro Woche. Das sei keine Konkurrenz zu Pflegediensten oder Pflegekräften in Heimen, die für die Grundpflege zuständig sind, sondern um eine „Rundumbetreuung“ nach dem Klinikaufenthalt zu gewährleisten: „Wir können ein EKG schreiben, aber wir hören auch einfach mal zu. Viele Patienten freuen sich, dass wir kommen“, berichtet Heise-Linne. Zudem könne man die Patienten bereits vor der Aufnahme in die Klinik besuchen, ergänzt ihre Kollegin Kirsten Liono-Mbeli.
Ergänzend wirken die Patientenlotsen: „Wir regeln das Entlassmanagement“,stellt Martina Kuhn fest. Dazu gehöre etwa das Regeln des Transports derPatienten aus der Klinik nach Hause, aber auch die Kommunikation mit unterschiedlichen Beteiligten. Vor allem die Angehörigen seien ganz begeistert,schildert Kuhn ihre Erfahrungen, weil sie sich bei den Lotsen jederzeit mel-den können mit Fragen, „das wird ganz toll angenommen.“
„Jeder im Team lernt die Patienten von Anfang an kennen“, betont Luley. „Wir gehen auch jeden Tag mit zur Visite, damit die Patienten, die Angehörigen und wir uns gut kennen und sich alle sicher fühlen“, fügt Kuhn hinzu. Oft würden Angehörige bei Gesprächen mit Patienten als lästig empfunden, verrät Luley, „aber uns sind sie ausgesprochen wertvoll, weil wir so Informationen erhalten, die uns bei der Behandlung helfen.“
Gedacht ist „Statamed“ vor allem für ältere Menschen und chronisch Kranke mit akuten Beschwerden. Die AOK Niedersachsen habe drei Kliniken gesucht, die am Projekt teilnehmen, sagt Uwe Lorenz, Geschäftsführer der Kliniken Landkreis Diepholz. „Wir haben uns beworben und hatten das Glück,dass wir in das Programm gekommen sind.“ Insgesamt nehmen nur sechs Kliniken in ganz Deutschland teil – drei in Niedersachsen, zwei in Hamburg und eine in Nordrhein-Westfalen. „Wir finden es sinnvoll, weil es den,Graubereich‘ abdeckt zwischen ambulanter und stationärer Versorgung.“Durch die Teilnahme gewinne man zudem Erkenntnisse und Ideen für ein medizinisches Angebot am Standort Sulingen, wenn 2028 die Zentralklinik in Borwede in Betrieb sei – „deswegen sind wir froh, dass wir mitmachen dürfen.“
Die Vorbereitung inklusive Bewerbung habe knapp zwei Jahre gedauert, berichtet Projektleiter Jan-Ole Meyerhoff. Es sei spannend, weil es auch für die AOK neu sei: „Es ist ein Modellprojekt, bei dem vieles noch nicht ausgereift ist, aber für uns war klar, dass es viele Patienten betrifft, die wir schon haben.“ Dennoch erfordere die Ausgestaltung noch viel Arbeit: „Man muss immer wieder nachjustieren, damit die Patienten den meisten Mehrwert bekommen.“
Zuständig ist die neue Station für den ganzen Landkreis, und bislang wurden37 Patienten behandelt mit einer Verweildauer von drei bis vier Tagen. Über den Erfolg lasse sich noch nicht viel sagen, auch wenn die kurze Verweildauer laut Luley schon ein Erfolg sei. „Für uns ist es ein Erfolg, wenn die Patienten zufrieden sind und wir den Familien bei schweren Entscheidungen die Angst nehmen und ihnen beistehen können“, hebt Heise-Linne hervor.
Noch „Luft nach oben“ sieht Luley bei der Zusammenarbeit mit Hausärzten.Das liegt seiner Auffassung nach insbesondere an der geforderten Registrierung für die Teilnahme. „Das muss möglichst unkompliziert sein“, stimmt Meyerhoff zu, „das klappt mit den Rettungsdiensten schon sehr gut, da bekommen wir positives Feedback.“ Vor allem der schnelle Kontakt zum Arzt und zur Terminvergabe für Praxen, Heime und Rettungsdienste montags bis freitags per Telefon (Tel. 04271/823 35 76 beziehungsweise 04271/823 35 70)sei ein Vorteil. Für Hausärzte bietet der Klinikverbund am Mittwoch, 21. August, ab 18.30 Uhr in der Alten Bürgermeisterei in Sulingen noch eine Infoveranstaltung an, für die es einen Fortbildungspunkt gibt.
Das Projekt ist befristet bis zum 31. März 2026, anschließend erfolgt die Evaluation. Wenn es gut angenommen werde, könne die Station so aufgebaut werden, dass man das Konstrukt auch unter einem anderen Namen weiter-führe, stellt Lorenz in Aussicht. „Das ist eventuell auch ein Ausblick für 2028.“Nach der Schließung der Klinik Sulingen bestehe hier weiterhin ein Bedarf für eine niedrigschwellige Versorgung, und man befinde sich bereits in Gesprächen mit der Stadt Sulingen. „Die Krankenhauslandschaft in Niedersachsen wird 2030 ganz anders aussehen, wir stehen vor einer großen Veränderungswelle.“
Artikel erschienen in der Kreiszeitung am Donnerstag, 15. August 2024, von Harald Bartels