Lachende Frau auf Treppe mit Zeitung in der Hand

Offene Türen statt Gummizelle

GESUNDHEITSSTANDORT BASSUM - Das Zentrum für seelische Gesundheit

Bassum –Der Musiktherapieraum im Bassumer Zentrum für seelische Gesundheit (ZfsG) hat wenig mit dem zu tun, was sich viele Menschen im ersten Moment unter einer psychiatrischen Klinik vorstellen. Keine Wände aus Gummi, keine rabiaten Pfleger, die Menschen in Zwangsjacken durch die Gegend schleifen. Nein, der große, helle Raum lädt mit unzähligen, teils exotischen Instrumenten zum Musizieren ein. Und mittendrin stehen mit Klinik-Manager Thomas Meyer und den Chefärzten Dr. Gerd-Christian Kampen und Dr. Stefan Renner drei Männer, die ein viel freundlicheres Bild der Einrichtung zeichnen.

Die besteht seit 1994, hatte jedoch die ersten zwei Jahrzehnte ihren Sitz inTwistringen. 2016 verlagerte der sich: „Die Ideen und Mitarbeiter sind mit nach Bassum gezogen“, beschreibt Meyer. In Twistringen verbleibt seitdem eine tagesklinische Einrichtung des ZfsG.
Eines eint beide Einrichtungen, wie die beiden Chefärzte berichten: „Wir behandeln alle psychischen Störungen“, sagt Renner, der von einer „großen Palette“ spricht und mit Kampen zusammen einige Beispiele aufzählt: Psychosen, Depressionen, Persönlichkeits- Angst-, Ess-, Zwangs-, und Traumafolgestörungen, Suchterkrankungen und Demenzen. Auslöser für solche Erkrankungen könnten psychischer, aber auch physischer Art sein,etwa hormonelle Störungen wie eine Schilddrüsenfehlfunktion.
Mehr als 1000 stationäre Patienten behandeln die etwa 180 Mitarbeiter des ZfsG pro Jahr, rund 100 Behandlungsplätze stehen dafür zur Verfügung. Weitere rund 800 Patienten erhalten im selben Zeitraum eine ambulante oder tagesklinische Behandlung. „Und die Ambulanz wird stärker“, weiß Meyer. Deshalb hat das ZfsG vor rund einem halben Jahr an seinem Standort in Bassum ebenfalls eine tagesklinische Station eröffnet.
Zurück zu dem eingangs propagierten, klischeehaften Bild einer psychiatrischen Einrichtung. Renner schmunzelt kurz und sagt dann: „Das ist in den Köpfen, dieses Bild, dass der Zwang dominiert.“ Tatsächlich aber sei das meist ganz anders, wie der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für psychosomatische Medizin ausführt: „Die Menschen kommen hierher und suchen Hilfe.“
Und auch bei denjenigen, die klinisch behandlungspflichtig werden und nur mittels Zwang zum Klinikbesuch gebracht werden können, sei der fehlende Zwang auf der Station selber ein Mittel zur Deeskalation: „Wir haben keine exklusiv geschlossene Station“, sagt Renner, „dadurch kommen 80 Prozent der Patienten wieder runter.“ Der Anblick eines Bettes mit Schnallen hingegen wirke wenig deeskalierend, weiß der Mediziner. Theoretisch könnten die Patienten die Station und das Haus sogar jederzeit verlassen –auch wenn sie dann bei Notwendigkeit wieder eingesammelt würden. Stefan Renner fasst es kurz und knapp zusammen: „Wir sind kein Knast!“
Stattdessen begegneten die Mitarbeiter den Patienten auf Augenhöhe und förderten deren Autonomie, so der Arzt. Das Konzept sei zudem vorteilhaft,sagt Gerd-Christian Kampen, da die Patienten bei Fortschritten nicht verlegt werden müssten, was einen Bruch hervorrufen könne.
Im Schnitt blieben Patienten fünf bis sechs Wochen, erklären die beiden Chefärzte. Nach der Untersuchung, Anamnese und Diagnose erfolgt ein laut Renner „straffes Therapieprogramm“, das auch pharmakologisch unterstützt werden könne. Hierfür hält das ZfsG ein paar besondere Therapieangebote bereit: Neben dem bereits angesprochenen Musiktherapieraum gibt es auch noch Räume für Sport-, Kunst- und Ergotherapie.
Das ZfsG sei mittlerweile etabliert in Bassum. „Wir sind gut akzeptiert“, sagt Renner zufrieden und nickt – dabei habe er etwas anderes erwartet. InTwistringen sei die Einrichtung seinerzeit zunächst auf Sorge bei den Anwohnern gestoßen, „und als wir weg sind, hat man uns hinterhergetrauert“.
Und auch Bürgermeister Christian Porsch findet‘s gut – nachdem er davon gesprochen hat, dass es anfangs Befürchtungen in der Stadt gegeben habe.
Probleme seien ihm allerdings keine bekannt, im Gegenteil: „Ich freue mich“,sagt er stolz, „dass die Menschen hier die Möglichkeit bekommen, dass ihnen geholfen wird.“

Dieser Artikel ist am 09. April 2024 in der Kreiszeitung erschienen.