Triage ist ein Begriff, der ursprünglich aus der Militärmedizin stammt. Er bedeutet so viel wie die Einteilung von Patienten anhand der Schwere ihrer Verletzungen. Patienten kämen in der Notaufnahme also nicht nach Reihen-
folge der Ankunft dran, sondern anhand ihres Zustands. Wer mit Lappalien ankommt, könne also etliche Stunden warten, während Notfälle eher behandelt werden.
Im Herbst und Winter hatte der Klinikverbund einen starken Andrang in den Zentralen Notaufnahmen (ZNA) verzeichnet. Die ZNA stand zeitweise vordem Kollaps (wir berichteten). Gleichzeitig hatten Kliniken in Bremen über die Landesregierungen bewirkt, dass der Rettungsdienst im Landkreis Diepholz keine Patienten mehr in die benachbarte Hansestadt bringen durfte.Die Lage dort sei ebenfalls angespannt. Ausnahmen beim Patiententransport gab es bei lebensbedrohlichen Verletzungen. An dieser Praxis habe sich bis heute nichts geändert. „Verlegungen nach Bremen sollen nur zurückhaltend erfolgen“, heißt es von den Diepholzer Kliniken.
Um den Andrang in den Notaufnahmen im Landkreis abzufedern, seien die Kliniken tätig geworden. „Durch eine Reihe an Maßnahmen konnte den veränderten Anforderungen Rechnung getragen werden“, heißt es. So habe konkret „insbesondere die kommunikative Einbindung der Patienten“ in vielen Fällen zu einer Entzerrung geführt.
Ein Beispiel sei der ständige Hinweis, dass die Behandlungsreihenfolge nicht nach Erscheinen durchgeführt wird, sondern nach medizinischer Dringlichkeit (Triage). „Auch veränderte Kapazitäten auf den Stationen und innerhalb der Notaufnahmen tragen zur Entzerrung bei“, erklärt Jana Buning über die Optimierungsprozesse in den Landkreis-Kliniken.
Dennoch: „Die Lage ist in allen Notaufnahmen weiterhin angespannt“, so die Kliniken-Sprecherin. Der Andrang von Patienten mit Lappalien sei das Hauptproblem. „Die Notaufnahmen werden mittlerweile als erste Anlaufstelle gewählt, was deutschlandweit zu einem großen Problem führt“, kritisiert Jana Buning. Ein Grund sei ihrer Ansicht nach der Mangel, vor allem an Hausärzten und der nicht ausreichenden Versorgung durch den kassenärztlichen Notfalldienst. Daher kämen die Patienten mittlerweile direkt in die ZNA, beklagt die Sprecherin.
Unnötige Diskussionen und Beleidigungen
Die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) räumt zwar ein, dass die Mittelbereiche Delmenhorst und Syke zu „den am schlechtesten versorgten Bereiche mit Hausärzten in Niedersachsen“ gehören. Um dem entgegen-zusteuern, fördere die KVN bereits hausärztliche Neuniederlasssungen in Diepholz, Sulingen und Syke mit bis zu 75 000 Euro, so der Sprecher.
„Viele Patienten haben das Gefühl dafür verloren, was ein echter Notfall ist“,sagt KVN-Sprecher Detlef Haffke. Bei den Gründen für das schnelle Aufsuchen von Notfallambulanzen an Krankenhäusern spricht er Klartext. Es sei „Bequemlichkeit, die Unkenntnis, vor allem bei Menschen mit Migrationshintergrund, über das deutsche System und höhere Ansprüche gerade bei jungen Leuten, die diese nur in den Kliniken erfüllt sehen“, so der KVN-Sprecher.
Dass die Behandlung nach dem Triage-System durchgeführt wird, stoße beiden Patienten nicht immer auf Anklang. „Dadurch kommt es häufig zu unnötigen Diskussionen und teilweise auch Beleidigungen, was das Personal zusätzlich an ihre Grenzen bringt“, berichtet Kliniken-Sprecherin Buning aus dem Alltag. Daher richte der Klinikverbund erneut den Appell an alle Menschen: „Die Notaufnahme sollte nur im Notfall besucht werden, wenn akute Schmerzen vorhanden sind, die nicht schon länger bestehen.“
Artikel erschienen in der Kreiszeitung am Freitag, 12. Mai 2023, von Gregor Hühne