Bassum – Vielen dürfte der Begriff „Lipödem“ nicht allzu geläufig sein. Dabei sind nach Angaben der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) rund 3,8 Millionen Menschen in ganz Deutschland an der schmerzhaften Fettverteilungsstörung erkrankt. Der Großteil der Betroffenen sind Frauen.Um über die Krankheit aufzuklären und Betroffenen Hilfsangebote zu präsentieren, gibt es im Bassumer Krankenhaus am Samstag, 10. Februar, einen Lipödemtag. Im Veranstaltungsraum des Klinikums startet der Informationstag um 10.30 Uhr.
„Es handelt sich um eine Erkrankung mit hohem Leidensdruck“, sagt Dr.Ahmed Abdou. Er ist Chefarzt der Abteilung Plastische, Ästhetische Chirurgieund Handchirurgie im Bassumer Klinikum und darf als einer von wenigen Experten in Deutschland an Lipödem leidende Menschen operieren.
„Die Schmerzen sind der Hauptpunkt, der Menschen im alltäglichen Leben einschränkt“, so der Chefarzt. Die Fettablagerungen verursachten Berührungs- und Druckschmerzen. Betroffene können deshalb oft nicht lange sitzen, laufen oder gar Sport machen.
Neben den physischen Schmerzen verursacht die Krankheit aber auch seelische. Viele Patienten wurden „fast ihr ganzes Leben gemobbt“. Denn im fortgeschrittenen Lipödem-Stadium ähnelt das Erscheinungsbild Betroffenerdem von adipösen Menschen.
Doch wieso trifft die Erkrankung fast ausschließlich Frauen? Laut Abdou ist das „bis jetzt noch nicht völlig studiert“. Da die Krankheit vor allem während der Pubertät, Schwangerschaften oder in den Wechseljahren auftritt beziehungsweise sich verschlimmert, liegt ein hormoneller Zusammenhang nah.
Abhilfe kann ein operativer Eingriff schaffen. Dabei saugt Abdou den Erkrankten mit einem speziellen Verfahren das wuchernde Fettgewebe ab. Kostenpunkt: 8 000 bis 10 000 Euro. Da pro Sitzung nicht mehr als vier Liter Fett abgesaugt werden dürfen, sei bei manchen auch ein zweiter Eingriff erforderlich.
Die Zufriedenheitsrate der von ihm operierten Menschen ordnet Abdou als „sehr hoch“ ein. Er selbst freue sich, deren Lebensqualität verbessern zukönnen.
Es gibt allerdings einen Haken: Krankenkassen übernehmen die OP-Kosten nur unter bestimmten Voraussetzungen. Eingeteilt in drei Stadien, kommendie Kassen ausschließlich bei Patienten im dritten Stadium für den Eingriff auf – doch auch dort nicht bei allen. So darf laut Abdou der Body-Mass-Index des betroffenen Menschen nicht über 40 liegen. Zudem müssen sie sich mindestens ein halbes Jahr lang einer konservativen Behandlungsmethode,wie einer Lymphdrainage, unterzogen haben.
Tückisch: Das Ausmaß der Schmerzen ist nicht an das Krankheitsstadium gekoppelt. „Die Schmerzen können in Stadium eins so schlimm sein wie in Stadium drei, aber die Krankenkasse wird die Kosten nicht übernehmen“,sagt der Chefarzt. Deshalb zahlen viele Patienten den Eingriff aus eigener Tasche.
Und es werden jedes Jahr mehr. Im Jahr 2022 verschaffte Abdou mit seinemTeam 55 Erkrankten Linderung durch eine Liposuktion, wie die Fettabsaugung im Fachjargon heißt. Mittlerweile operiere er fast jeden Tag Lipödem-Patienten.
Der steigende Andrang im Krankenhaus Bassum ist auch damit zu erklären,dass immer mehr Einrichtungen im Land die Zulassung für den Eingriff verlieren – zuletzt auch renommierte Kliniken wie die Medizinische Hochschule Hannover. In Bassum erfüllt die chirurgische Abteilung um Chefarzt Abdou die strengen Auflagen. Wobei derzeit nur er selbst die Lipödem-Erkrankten operieren darf. Und die kommen aus der ganzen Republik in die Kleinstadt.
Ralph Ehring, Geschäftsführer des Klinikverbunds Landkreis Diepholz, sieht das als Auszeichnung: „Im beschaulichen Bassum haben wir Experten, davon gibt es nicht viele“, sagt er. „Das machen wir auf sehr hohem Niveau.“
Dieser Artikel ist am 30. Dezember 2023 in der Kreiszeitung erschienen.