Was genau Grabungsleiterin Stephanie Böker und ihre Mitarbeiter auf dem neun Hektar großen Baugelände gefunden und gesichert haben, darüber berichtete sie am Donnerstag mit Restauratorin Sandra Leithäuser. Ebenso vor Ort: Dr. Sebastian Messal, Regionalleiter im Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege, sowie dessen Grabungstechnikerin Veronica König. Gemeinsam stellten sie klar: Es war selbst für erfahrene Archäologen eine Überraschung, auf dem Gelände so viele Spuren menschlicher Geschichte zu entdecken.
Außergewöhnlich war der Fund der kleinen Bronzeplastik in Form eines Knaben (wir berichteten). Von ihm gab es am Donnerstag nur Fotos zu sehen,denn die Figur – in sitzender Position und mit einem Fisch in der Hand – befindet sich zurzeit im Landesamt Hannover. Wahrscheinlich stammt die Figur aus der römischen Kaiserzeit.
Systematisch war das neun Hektar große Areal zunächst mit dem Bagger vorsichtig geöffnet und so die frühere „Kulturschicht“ unter dem Ackerboden frei gelegt worden. Die Archäologen und ihre Techniker entdeckten in dieser Schicht immer wieder neue Funde, die sie absammeln konnten, aber auch aufschlussreiche Erdverfärbungen: An ihnen lassen sich noch heute Pfosten und Gruben erkennen. Diese – Jahrtausende alten – Spuren putzten die Mitarbeiter mit Kellen sorgfältig glatt, um sie dann fotografisch sowie zeichnerisch zu dokumentieren und tachymetrisch zu vermessen. „Es wurden über tausend Profile angelegt und dokumentiert“, so Stephanie Böker. Sie kommt zu dem Schluss: „Es scheint sich bei dem Areal um ein Produktionszentrum für Keramik zu handeln, das wohl am Rande einer Siedlung liegt.“ Etwa 35solcher sogenannter Feldbrandgruben mit einem Durchmesser von bis zu2,5 Metern und einer Tiefe bis zu 80 Zentimetern entdeckten die archäologischen Kräfte. Allein aus einer Grube konnten sie fünf Eimer voller Keramikscherben bergen.
Einige ausgewählte Scherben präsentierte Sandra Leithäuser, Restauratorin bei ArchaeNord. Aber auch einen Reibestein, mit dem möglicherweise Körner zu Mehl vermahlen wurden. Getreidekörner und Knochen gehören eben-so zu den Funden wie ein Bleigewicht – möglicherweise aus der römischen Kaiserzeit – sowie andere Metallobjekte, vermutlich von Zugtier-Geschirren.
Zehn Vier-Pfosten-Speicher, in denen die Menschen einst Getreide und andere Vorräte lagerten, entdeckten die Grabungskräfte außerdem. Aber: Siedlungsreste in Form von Hausgrundrissen fanden sie nicht – nur die Spuren eines Hauses, das die Archäologen in die römische Kaiserzeit datieren. Der größte Teil des Hauses liegt demnach unter der Bundesstraße 51.
Verbergen sich tief im Acker gegenüber dem Klinikgelände also die Wohnhäuser der einstigen Siedlung? „Wir haben die Region Twistringen auf dem Schirm“, sagt Dr. Sebastian Messal. „Sie könnte in der römischen Kaiserzeit eine Art Hotspot gewesen sein.“
Guter Boden, Zugang zu Wasser und eine gute geografische Lage – das könnte Menschen schon im Neolithikum veranlasst haben, sich in Borwede niederzulassen. Die Archäologen entdeckten aber auch Überreste einer mittelalterlichen Hofstelle.
Inhaber der Funde ist der Landkreis (wir berichteten). Als Geschäftsführer des Klinikverbunds kann sich Uwe Lorenz gut vorstellen, einen Teil davon –optimalerweise restauriert – in der Klinik auszustellen.
Artikel erschienen in der Kreiszeitung am 06. Dezember 2024, von ANKE SEIDEL