Kreistag stimmt für Borwede - Abgeordnete votieren mehrheitlich für den Standort im Twistringer Ortsteil für das neue Zentralklinikum

Twistringen

Landkreis Diepholz. Das neue Zentralklinikum des Landkreises Diepholz wird im Twistringer Ortsteil Borwede entstehen. Das hat der Kreistag an diesem Montag mit großer Mehrheit beschlossen. Bei lediglich sieben Gegenstimmen sowie fünf Enthaltungen folgten die Abgeordneten damit dem Vorschlag der Verwaltung, den in der Bewertungsmatrix durch das Planungsbüro Andree Consult am besten abgeschnittenen Standort für den Klinikneubau auszuwählen und weiter voranzutreiben.

Wie bewegend das ganze Thema ist, zeigte nicht zuletzt auch die rege Beteiligung an der Einwohnerfragestunde im Vorfeld der Abstimmung, die über eine Stunde dauerte. Gut 100 Kreisbewohner waren zu der Sitzung gekommen. Dabei kamen auch noch einmal Fragen etwa zu der Bettenanzahl auf, deren Reduzierung ein Bewohner durch die Zentralisierung der drei Krankenhäuser an einem Standort befürchtete. "Die  Bettenanzahl kann zu einem wesentlichen Teil erhalten bleiben", beschwichtigte Landrat Cord Bockhop, der vermutete, dass bei den Rechnungen die Plätze in der Psychiatrie nicht mit einberechnet worden
waren, die ja, wie berichtet, am Standort Bassum erhalten bleiben sollen.

 Ein Sulinger monierte in der Fragestunde außerdem, dass die Bewertung für die Erreichbarkeit der höchsten Einwohnerzahl zu hoch ausgefallen sei, da ein Großteil der Kreisbewohner in den Gemeinden Stuhr, Weyhe und Syke zu Hause ist und diese sich jedoch ohnehin in Bremen behandeln lassen würden, während im südlichen Kreis nicht alle Bereiche im 30-Minuten-Radius des neuen Krankenhausstandortes liegen würden. Dagegen argumentierte Landrat Bockhop: "Die Rückmeldungen aus den Gemeinden Weyhe und Stuhr zeigen uns, dass auch sie das Vorhaben durchaus positiv sehen." Außerdem würde sich auch in Bremen die Krankenhauslandschaft verändern und man könne nicht genau sagen, was etwa im Krankenhaus Links der Weser künftig noch alles angeboten werden könne.

 Auch bereits im Vorfeld der Kreistagssitzung hatte sich Widerstand gegen den gewählten Standort bei einigen Anwohnern geregt. Thomas Tegge, der selbst einen Resthof nahe der Fläche in Borwede besitzt, hatte eine Unterschriftenaktion gegen den Standort gestartet und die gesammelte Liste an die Fraktionen des Kreistages geschickt. Er kritisierte unter anderem, dass ein großer Krankenhaus-Komplex nichts in dem
landwirtschaftlich geprägten Areal verloren hätte. "Das ist mitten auf einem Acker", erklärte Tegge, der befürchtet, dass durch den Klinikbau die Landwirtschaft in dem Bereich zerstört wird. Ein ähnliches Argument brachte auch noch einmal eine Anwohnerin aus Borwede in der Kreistagssitzung vor.

Weitestgehende Einigkeit Nachdem Fred Andree von der Firma Andree Consult auch noch einmal die Bewertungsmatrix in allen Einzelheiten vorgestellt hatte, bezogen die jeweiligen Fraktionsvorsitzenden noch einmal Stellung und erklärten, warum sie für (und in wenigen Fällen gegen) den Beschluss stimmten. Während sich CDU, SPD, Grüne, Freie Wählergemeinschaft und FDP weitestgehend einig darin waren, dass man der vom Kreisausschuss auch selbst aufgestellten Matrix nun auch im Ergebnis folgen und somit eine sachliche Entscheidung treffen wolle, gab es seitens der AfD, Linken und einiger einzelner Abgeordneter noch einmal Gegenargumente gegen den Beschluss.

So erklärte etwa AfD-Fraktionsvorsitzender Harald Wiese, dass der Standort, der sich im Wettbewerb durchgesetzt hat, zwar der bestmögliche sei und sich die AfD auch mit dem Ergebnis einverstanden erkläre. Er kritisierte jedoch eine zu geringe Beteiligung der Öffentlichkeit an dem ganzen Prozess. Trotz Corona hätte man auf digitale Möglichkeiten zurückgreifen sollen, um etwa die Sitzungen online für alle Bürger zu übertragen. Daher habe sich die AfD dazu entschlossen, sich bei der Abstimmung zu enthalten.

Die Linken sprachen sich dagegen ganz gegen das Vorhaben aus, einen zentralen Krankenhausstandort einzurichten und votierten daher gegen den Beschluss. "Es gibt viele Beschäftigte im Landkreis, die im Niedriglohnsektor arbeiten", erklärte Linken-Fraktionsvorsitzender Peter Faßbinder. Diese hätten nicht unbedingt die Möglichkeit, mit einem privaten Auto zum Krankenhaus zu fahren. "In unserem Flächen-Landkreis wäre es sinnvoller, die drei Krankenhausstandorte beizubehalten."

Auch einzelne Abgeordnete, etwa einige aus Sulingen, sprachen sich gegen den Beschluss aus. Heinz Riedemann von der Freien Wählergemeinschaft erklärte etwa, er könne die Bewertungen in einigen Punkten einfach nicht nachvollziehen und führte auch noch einmal Argumente für den Standort Sulingen, der bei dem Ranking auf dem dritten Platz gelandet war, an. Insbesondere, dass das Areal bereits erschlossen sei, hob er dabei hervor und erntete dafür lauten Applaus aus dem Publikum.

Auch Bundestagsabgeordneter Axel Knoerig (CDU) äußerte noch einmal seine Bedenken gegenüber dem Vorhaben, einen zentralen Krankenhausstandort im Landkreis zu etablieren. "Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass unser Landkreis am besten versorgt ist, wenn wir alle drei Standorte erhalten", erklärte er.

Landrat Cord Bockhop verwies daraufhin noch einmal darauf, dass die Diskussion um einen zentralen Standort inzwischen längst abgeschlossen sei. Die Politik habe sich für einen gemeinsamen Standort  entschieden, um die Krankenhausversorgung im Landkreis auch zukunftsfähig zu machen. "Verlierer hätten wir dann, wenn wir an einzelnen Standorten irgendwann Stationen schließen müssten", argumentierte er. An einem zentralen Standort würde man dagegen ganz andere Möglichkeiten haben, auch neue Fachkräfte anzulocken. Er bedankte sich auch noch einmal bei den Bürgern und Bürgermeistern sowie allen Beteiligten für die sachliche Diskussion.

 

Artikel erschienen im Syker Kurier vom Dienstag, 23. Juni 2020 von Esther Nöggerath

Der Kreistag stimmte am Montag in der Mensa der Oberschule Bruchhausen-Vilsen über den künftigen Klinik-Standort ab.