Lachende Frau auf Treppe mit Zeitung in der Hand

Allgemeine Akzeptanz für Standort-Pläne - Vorschlag für Zentralklinik trifft bei Kreistagsfraktionen auf breite Zustimmung – Kritik kommt aus Sulingen

Twistringen

Landkreis Diepholz. Die Kreispolitik kann sich den Twistringer Ortsteil Borwede größtenteils als Standort für das geplante Zentralklinikum im Landkreis Diepholz vorstellen. Kritik kommt dagegen aus der Stadt Sulingen, die mit ihrer in das Bewertungsverfahren eingebrachten Fläche auf Platz drei gelandet ist – hinter einem weiteren Standort in Twistringen im Ortsteil Mörsen

Die Sulinger CDU äußert daraufhin Unverständnis und Enttäuschung über den Ausgang des Auswahlverfahrens. „Wir sind auch nach intensiver Beschäftigung mit der Bewertungsmatrix davon überzeugt, dass der Sulinger Standort mehr Vorteile für alle bietet als die Fläche in Twistringen“, liest es sich in einer Erklärung der Sulinger Christdemokraten.

Die Zweifel an den Vorschlägen aus Twistringen seien nicht ausgeräumt. „Mit Twistringen als Standort würde eine Unterversorgung im Südkreis geschaffen. Ströhen und Bahrenborstel hätten über 40 Minuten Entfernung zum Zentralkrankenhaus, während Gebiete wie Twistringen und Bassum schon jetzt durch das Krankenhaus in Wildeshausen gut versorgt sind“, heißt es weiter. In Sulingen stehe zudem alles für den Baubeginn bereit, auch die archäologischen Untersuchungen seien abgeschlossen, während in Borwede noch nichts dergleichen geschehen sei. Die Stadt Sulingen hat außerdem bereits in das angebotene Grundstück investiert „und bietet dem Kreis an, es faktisch kostenlos zur Verfügung zu stellen“. Die Christdemokraten rechnen vor, dass die jetzigen Kliniken derzeit acht Millionen Euro jährlich an Zuschuss brauchen. Hinzu kommen ihnen zufolge Kosten von mindestens zwei Millionen Euro, um aus den Äckern in Borwede ein baufertiges Gebiet zu machen. Die Sulinger CDU fragt daher, ob 3,6 Prozent Unterschied in der Bewertungsmatrix zwischen Twistringen-Borwede (73,1 Prozent) und Sulingen (69,5 Prozent) diese Geldsumme wert ist.

Am kommenden Montag, 22. Juni, entscheidet nun der Kreistag in der Oberschule Bruchhausen-Vilsen über die Annahme des erstplatzierten Vorschlags für den Krankenhaus-Neubau im Landkreis. Nachdem das Gremium Anfang Dezember 2019 den Grundsatzbeschluss für die Errichtung gefasst hatte, hatte sich mit Beginn des Jahres die Lenkungsgruppe Zentralklinikum zusammengetan, bestehend aus Mitgliedern des Kreisausschusses. Die Kriterien für die Standortsuche für ein Krankenhaus mit 340 Planbetten und 30 zusätzlichen für eine Kinderklinik waren zwischen Lenkungsgruppe und der Beratungsfirma Andree Consult aus Siegburg abgestimmt und gefasst worden. Daraufhin waren 15 von 16 Vorschlägen in die Auswahl gegangen.

Klar bekennt sich die CDU-Kreistagsfraktion zum erstplatzierten Standort. Ohne Gegenstimme sei in einer Sitzung beschlossen worden, dem Zuschlag in der Kreistagssitzung zuzustimmen. „Wir haben uns das wirklich nicht leicht gemacht und allen Bedenken und Fragen Raum gegeben, doch die Entscheidung ist für uns so richtig und wir werden zustimmen", sagt Fraktionsvorsitzender Volker Meyer (Bassum). 

„Das Ergebnis ist so, wie es ist“, sagt Astrid Schlegel (Weyhe), Vorsitzende der Kreistagsfraktion der SPD. Innerhalb der Fraktion habe es natürlich Fragen zu einzelnen Punkten gegeben. Doch diese seien bei zwei Informationsveranstaltungen mit dem Planungsbüro beantwortet worden, zu denen alle Kreistagsabgeordneten eingeladen gewesen waren. „Von Anfang an haben wir gesagt, wir lassen uns darauf ein“, sagt Schlegel in Bezug auf den Entscheidungsprozess anhand klar definierter Kriterien. Die Diskussion sei „extrem intensiv gewesen“, die Fraktion fühle sich „gut informiert“. Die Tendenz gehe in Richtung Zustimmung für Borwede. 

Für unterstützenswert hält auch die Kreistagsfraktion der Grünen den Standort. Intern war aber auch der zweitplatzierte Standort Mörsen diskutiert worden, wie Grünen-Fraktionschef Ulf Schmidt (Bruchhausen-Vilsen) auf Nachfrage erklärt. Insbesondere der Aspekt, dass Mörsen mit ungefähr 900 Metern Entfernung eine bessere Anbindung zur Bahn hat, während es von Borwede zum Bahnhof 2,7 Kilometer seien. Das Argument, dass die Fläche in Sulingen bereits erschlossen ist, lässt er nur bedingt durchgehen. „Trotzdem haben wir in Sulingen ein Gewerbegebiet. Da müsste ein neuer B-Plan rauf – wie in Twistringen.“ 

Was klar für Twistringen als Standort für die Klinik spricht, ist aus Sicht von Rolf Husmann (Bahrenborstel), Vorsitzender der FDP-Kreistagsfraktion, auch die Nähe der Krankenhaus-Mitarbeiter zum künftigen Arbeitsplatz. Die Daten sagen, dass der Großteil der Belegschaft aus dem näheren Umkreis kommt, sagt Husmann. Im Namen der Fraktion der Freien Wählergemeinschaft lobt ihr Vize-Chef Ulrich Helms (Twistringen) die ihm zufolge beeindruckende Detailtiefe der Infoveranstaltungen. Er werde Borwede als Vorschlag unterstützen, es sei immerhin das Ergebnis der zugrunde gelegten Kriterien. Die AfD-Kreistagsfraktion hatte sich eingangs Transparenz beim Entscheidungsprozess gewünscht – und ist mit dem bisherigen Vorgehen laut ihrem Fraktionsvorsitzenden Harald Wiese (Syke) auch zufrieden. 

Die Kreistagsfraktion der Linken hatte beim Grundsatzbeschluss im Dezember gegen den Bau einer Zentralklinik gestimmt. „Wir sind der Meinung, dass drei kleine Krankenhäuser eine bessere Versorgung darstellen, als ein großes“, bekräftigt Fraktionsvorsitzender Peter Faßbinder (Bassum). Durch die bisherigen Standorte könne nach Auffassung der Linken eine flächendeckende Versorgung eher erreicht werden. Wenn, hätte die Fraktion den Standort Mörsen bevorzugt – vor allem wegen der besseren Anbindung an den Personennahverkehr. Wie die Kreistagsfraktion am 22. Juni abstimmen wird, sei noch in der Schwebe. Man wolle die Pläne aber keinesfalls „torpedieren“, wenn sie gefasst sind, sagt Faßbinder. 

Dass es auch Enttäuschung gibt, ist für den Diepholzer Landrat Cord Bockhop nachvollziehbar. „Da steckt Herzblut drin“, sagt er über die Bewerbungen der Kreiskommunen. Bockhop betont aber auch, dass es um den Landkreis als Ganzen geht. Um den Prozess transparenter zu machen, sind die genauen Gegenüberstellungen der drei Flächen mit den besten Bewertungen seit Dienstagabend über den Sitzungskalender des Kreistags im Internet einsehbar. Sie sind den Vorlagen zur anstehenden Sitzung beigefügt. Auch die Fragen und Antworten aus den zwei Infoveranstaltungen sind dort zu finden. Demzufolge liegt Borwede bei einer Bewertung von 80 Prozent, in Schulnoten als „gut“ ausgedrückt, zum Beispiel vorne beim Punkt schalltechnische Vorbelastung, außerdem wäre ein Klinikum dort ein „eher unkritischer“ Lärm-Emittent. Die Lage an der B 51 und die Anbindung an einen Bahnhof sind laut Bewertung weitere Pluspunkte gegenüber dem Sulinger Standort.

Zielrichtung für das Klinikum ist, es in zwei bis drei Jahren planfertig zu haben, sagt Bockhop. Dann müssen die Ausschreibungen erfolgen. Parallel zur Bauleitplanung wird die Planung für das Gebäude entwickelt, um sie beim Land Niedersachsen prüfen zu lassen, und letztlich Fördermittel aus Hannover zu generieren. Teil des Verfahrens ist auch eine Beteiligung der Öffentlichkeit. Sechs Jahre sieht der straffe Zeitplan vor. Noch aber steht das Millionenprojekt ganz am Anfang.

Artikel erschienen im Syker Kurier am Donnerstag, den 18.06.2020

Laut Bewertungskriterien liegt die am besten geeignete Fläche für eine Zentralklinik an der B 51 in Borwede.