Grüne Damen / Ein offenes Ohr

Bassum

Der erste Kontakt beginnt mit einem Klopfen. Dann treten die Grünen Damen ins Krankenzimmer und bieten Patienten die Möglichkeit, ihnen zuzuhören. Manche wollen nicht, aber das Angebot wird angenommen.

Bassum. Die Zeit im Krankenhaus ist selten einfach. Unsicherheit gegenüber der Zukunft. Ohnmacht angesichts seines eigenen Schicksals – aber auch Freude, endlich die Operation hinter sich zu haben. In all diesen Fällen kann es helfen, mit einer Person über solche Gedanken zu sprechen. Besuch kann nicht immer kommen – manchmal kommt er gar nicht. Um Menschen eine Möglichkeit zum Reden zu geben, machen sich jeden Dienstagvormittag Frauen auf den Weg durch das Bassumer Krankenhaus. Sie sind der Krankenhausbesuchsdienst. Sie nennen sich: Grüne Damen.

Ihre Arbeit beginnt mit einem Klopfen an der Tür, die Grüne Dame tritt ein. „Wenn jemand uns nicht kennt, dann stellen wir uns vor“, erzählt Helga Gerke. Und dann beginnt das Gespräch. „Die älteren Herrschaften erzählen gerne Geschichten aus dem Krieg oder von der Flucht“, ergänzt Heidemarie Penner. Aber auch Krankheit ist ein Thema. Sie und Gerke sind bereits seit 20 beziehungsweise zehn Jahren für die Grünen Damen im Einsatz und hören den Patienten zu – wenn die denn wollen. Manchmal, das kennen Penner und ihre Kolleginnen, machen manche etwa ihre Augen zu. Kein Bedarf.

Oft ist es aber so, dass sich die Patienten über die Besuch der Grünen Damen freuen. „Sie erzählen uns viel. Vielleicht wollen sie auch ihre Angehörigen schützen und reden mit ihnen nicht über die Krankheit“, vermutet Gerke. Dass es dann auch nicht einfach für die Damen selbst ist, liegt auf der Hand. „Wir dürfen mit Anderen natürlich nicht darüber reden, aber es tut gut, uns untereinander auszutauschen“, sagt Gerke. Sie, Irmgard Wilhelm und Penner sind die Expertinnen, was das Gesprächsangebot angeht, Sylvia Grundmann und Tanja Wunderlich sind die Neulinge in der Truppe.

Während Wunderlich seit rund einem Jahr dabei ist, hat Grundmann gerade ihren ersten Monat hinter sich. „Mein Leben lang ging es mir ganz gut. Ich wollte gerne etwas machen und zurückgeben“, erzählt sie. Beide freuen sich über die Offenheit innerhalb der Gruppe. „Ich habe mich gar nicht fremd gefühlt“, sagt Grundmann.

Die neuen Damen werden indes nicht einfach auf die Patienten losgelassen. Zu Beginn zieht man die ersten Male noch mit einer erfahreneren Dame los (Wunderlich: „Das hilft, um einen Einstieg zu finden“), es gibt zudem Kurse für Gesprächsführungen sowie Selbst- und Fremdwahrnehmung. „Ich freue mich, dass die Zusammenarbeit zwischen der Krankenhaus-Seelsorge und den Grünen Damen so gut funktioniert“, sagt Dorothea Dolle-Gierse, Krankenhaus-Seelsorgerin. Sie weiß: Manches kriegen die Pfleger auch nicht mit, die Damen aber schon. In Gruppengesprächen und Reflexionen wird zudem über die Erfahrungen der Vormittage geredet.

Zwar muss es nicht immer um Trauer und Tod gehen, „ich habe einmal mit einer Patientin und ihrer Tochter gesungen. Die Frau konnte nichts mehr, nur singen“, erinnert sich Gerke. Aber gleichzeitig: „Manchmal weint man auch zusammen.“ An anderen Tagen geht es dann um Politik oder Sport. „Die Patienten sind ja nicht immer todkrank“, sagt Penner, ehe sie hinzufügt: „Man bekommt so viel zurück.“

Das ist auch einer der Gründe, warum es die Grünen Damen seit rund 35 Jahren in Bassum gibt. In Sulingen und Diepholz hat sich zudem jeweils eine Gruppe gefunden – aber auch deutschlandweit sind die Ehrenamtlichen unterwegs. „Die Grünen Damen haben eine lange Tradition. Die Idee kommt aus den USA, dort heißen sie: ‚Pink Ladies‘“, erzählt Dolle-Gierse. Aber offenbar sei das für das Deutschland in den 1960er-Jahren zu offensiv gewesen. „Pink steht mir besser“, wirft Grundmann ein und lacht.

Ihre grünen Kittel hängen im Schrank und die sechs Frauen tragen sie immer, wenn sie auf den Stationen unterwegs sind. „Es ist ein großes Geschenk, dass es das Zusatzangebot in der Klinik gibt“, ist Dolle-Gierse über das Ehrenamt froh. Allerdings habe sich in den vergangenen Jahren die Arbeit etwas verändert. Die Frauen lernen immer neue Menschen kennen. „Die Verweildauer im Krankenhaus hat sich sehr verkürzt“, erzählt die Seelsorgerin. Daher hätten einige Patienten weniger Bedarf, über etwas zu reden.

Wie die Grünen Damen das Gespräch führen, das bleibt ihnen überlassen, wird nicht vorgegeben. Schließlich sind die Patienten alle unterschiedlich. „Jede von uns macht es anders. Man geht unvoreingenommen in die Zimmer“, weiß Heidemarie Penner. Das Wichtigste ist, den Patienten ein Gespräch anzubieten und zuzuhören. So einfach, wie es im ersten Moment klingt, ist es derweil nicht. So kam am Anfang bei Heidemarie Penner auf das Klopfen an der Tür noch etwas hinzu: „Früher hatte ich noch richtig Herzklopfen. Aber das ist vorbei.“

 

Presseartikel erschienen im Syker-Kurier 14.11.2019, Von: Tobias Denne

Mit der Begrüßung geht es los: Syliva Grundmann (links) und Tanja Wunderlich sind die beiden Neuzugänge bei den Grünen Damen, dem Krankenhausbesuchsdienst. Foto: Braunschädel