Krankenhausflur mit Pflegern die sich austauschen und einem Pfleger der ein leeres Bett schiebt.

Große Mehrheit für Borwede - Mehr als 100 Zuhörer verfolgen Entscheidung über Zentralklinik-Standort

Twistringen

Landkreis Diepholz – Mit großer Mehrheit hat der Kreistag für Borwede als Standort der geplanten Zentralklinik votiert. Nach drei Stunden kritischer Nachfragen aus den Reihen der mehr als 100 Zuhörer und intensiven Diskussionen im Plenum registrierte Kreistagsvorsitzende Dörte Meyer (CDU) nur sieben Stimmen gegen Borwede und fünf Enthaltungen.

Landrat Cord Bockhop hatte zuvor die Fragen der Bürger beantwortet und erläutert, warum eine Zentralklinik für die Versorgung der Zukunft wichtig sei. Er wolle nicht zuschauen, so Bockhop, wie in den bisherigen Kliniken „Abteilung für Abteilung“ geschlossen werden müsste, weil kein Personal mehr vorhanden sei.
Punkt für Punkt erläuterte Fred Andree, Geschäftsführer des mit der Standortermittlung beauftragten Unternehmens, warum Borwede das beste Ergebnis erzielt hatte – und erklärte: „Eine Matrix ist nichts Mystisches, sondern ein Instrument, das bei komplexen Entscheidungsfindungen eingesetzt wird.“ Die Standortwahl auf diesem Wege zu erarbeiten, habe die CDUKreistagsfraktion aus voller Überzeugung unterstützt, betonte deren Vorsitzender Volker Meyer. Verständlicherweise führe das auch zu Enttäuschungen in den Kommunen, die in der Bewertung nicht ganz vorne lägen. Aber man wolle nicht von dem gemeinsam beschlossenen Verfahren abweichen, „nur weil einigen das Ergebnis nicht passt“. Sein Fraktionskollege Axel Knoerig aus Kirchdorf votierte für den Erhalt der drei bisherigen Kliniken im Kreis.

„Heute ist es notwendig, Patienten von einer Klinik zur anderen zu schicken, weil wir nicht in jeder Klinik alles anbieten können“, so die SPD-Fraktionsvorsitzende Astrid Schlegel. Keines der drei Häuser schreibe schwarze Zahlen. „Doch wir brauchen Synergieeffekte.“ Der SPD sei wichtig, alle Beschäftigten nach Tarif zu bezahlen. Trotzdem konnten ihre Fraktionskolleginnen Wiebke Wall aus Sulingen und Luzia Moldenhauer aus Bassum nicht zustimmen.

Die Fraktion der Grünen habe der Erarbeitung der Matrix zugestimmt, so deren Vorsitzender Ulf Schmidt. Deshalb akzeptiere man auch das Ergebnis. Schmidt sprach von einem offenen und transparenten Verfahren. Er dankte vor allem den Mitarbeitern der Kliniken für ihre sehr verantwortungsvolle und zielorientierte Position. Mit dem Bau der Zentralklinik ordne der Landkreis seine Krankenhauslandschaft neu. Wichtig sei es, gemeinsam zu handeln – um in Hannover etwas zu erreichen.

Der Kreistag habe sich eindeutig entschieden, so FWG-Fraktionschef Hermann Schröder, wie der Standort festgelegt werden solle: „Nach festen Spielregeln und nicht nach lokalen Befindlichkeiten oder Wirtschaftsförderung.“ Er lobte die „sehr beeindruckende Analyse“ des Unternehmens. Gewünscht hätte er sich jedoch mehr Öffentlichkeit in dem Verfahren. Schröder erinnerte daran, dass die Entscheidung für eine Zentralklinik ja längst getroffen sei. Jetzt gehe es um den Standort. Borwede konnte sein Fraktionskollege Heinz Riedemann aus Sulingen auf keinen Fall mittragen, betonte er ausdrücklich – und zweifelte die Richtigkeit der Analyse an.

Keines der bestehenden Krankenhäuser könne, so gab FDPFraktionschef Rolf Husmann zu bedenken, die zukünftigen Anforderungen erfüllen. Das habe schon 2015 das Gutachten Lofert & Lofert ergeben. „Ein neues Zentralkrankenhaus kann eine Behandlung mit modernsten Mitteln und Methoden anbieten, ist gemeinhin ein attraktiver Arbeitgeber mit zeitgemäßen, modernen Arbeitsplätzen und Arbeitsbedingungen“, so Husmann.

Der Standort Borwede erfülle mit 73,1 Prozent die fachlichen Anforderungen bestens, so AfD-Fraktionschef Harald Wiese. Der Landkreis befinde sich in der Neugestaltung der Krankenhauslandschaft auf der Überholspur. Das sei ein Erfolg. „Diese Geschwindigkeit war nur möglich, weil Experten eingesetzt wurden und der Prozess effizient gestaltet war“, sagte Wiese. Sein Fraktionskollege Gerd Breternitz kündigte jedoch Stimmenthaltung an, weil er das Gesundheitssystem als seit Jahrzehnten unterfinanziert empfand.

Peter Fassbinder lehnte als Fraktionschef der Linken die Zentralklinik ab – zumal Borwede keinen Anschluss an den Öffentlichen Personennahverkehr habe.
Landrat Bockhop zeigte sich zuversichtlich, das Problem der Anbindung lösen zu können.

 

Artikel erschienen in der Kreiszeitung am 23. Juni 2020 von Anke Seidel

Mehr als 100 Zuhörer verfolgen die historische Entscheidung im Kreistag. Links im Bild die Vorsitzende Dörte Meyer, rechts am Rednerpult stehend Landrat Cord Bockhop während der engagierten Diskussion in der Mensa Bruchhausen-Vilsen. Die Mitarbeiter der Kreisverwaltung bekamen für die detaillierte Vorbereitung der Großtagung unter Corona-Bedingungen mehrfach Beifall. Foto: Heinfried Husmann